Hedwig Leistner (1862-1946) - Gönnerin ihrer Heimatstadt
Ettenheim – New York – Leipzig - Ettenheim
In den 1980er Jahren bin ich mit meiner Familie nach Ettenheim gezogen. Seit 30 Jahren wohnen wir in der Leistnerstraße. Als ich anfangs immer mal wieder Nachbarn fragte, wo der Name Leistner herkomme, erntete ich meist ein Schulterzucken. Ein Nachbar meinte, Leistner sei ein Unternehmer gewesen, der durch Spenden Ettenheim gefördert habe. Eine Internetrecherche nach dem Unternehmer Leistner war erfolglos. Es ist fast schon ein bisschen peinlich, dass ich erst im Zusammenhang mit diesem Projekt „Straßennamen erklärt“ gemerkt habe: Du wohnst ja in einer „Frauenstraße“. Was nicht sofort ins Auge springt, weil man am Straßennamen nicht erkennen kann, dass hier kein Herr Leistner, sondern Frau Hedwig Leistner geehrt wurde (bei der Neumannstraße ist es genauso). Frau Leistners außergewöhnliche Lebensgeschichte hat mir dann ihr Urenkel Michael Kottenhoff bei einem ausführlichen Telefonat erzählt. Hedwig Leistner wurde 1862 als Hedwig Jäger in Ettenheim geboren. Ihre Mutter starb früh, Hedwig war gerade mal 4 Jahre alt. Als junge Frau wanderte sie in den 1880er Jahren nach Amerika aus. Sie suchte ihr Glück in der Landwirtschaft in Iowa. Sie fand dort ihren ebenfalls deutschstämmigen Ehemann Theodor Leistner. Der angesehene Kunstmaler zog mit ihr nach New York. Sie bekamen zwei musikalisch hochbegabte Töchter. Diese schrieben sich 1907 zum Musikstudium in Leipzig ein. Leipzig aus zwei Gründen: Erstens genoss die dortige Hochschule für Musik und Theater ein hohes Ansehen. Außerdem lebte in Leipzig ihr Onkel Carl Herrmann Jäger, der auf die jungen Frauen „aufpassen“ konnte. Die Eltern kehrten 1911 aus unbekannten Gründen ebenfalls nach Deutschland zurück und ließen sich in Frankfurt am Main nieder. 1920 verstarb der kinderlose C.H. Jäger und vermachte der Leistnerfamilie seine Firma. Theodor und Hedwig Leistner zogen nach Leipzig. 1943 wurden die Leistners von amerikanischen Freunden gewarnt, es stünden schwere Bombardements der U.S. Air Force auf deutsche Städte bevor. Die Familie entschloss sich daraufhin, nach Ettenheim zurückzukehren. Hedwig Leistner verstarb 1946 in ihrem Heimatort. Mein Blick auf die Leistnerstraße hat sich verändert. Gerne wüsste ich noch mehr über Hedwig Leistner. Mit welchem Gefühl ist sie als junge Frau ausgewandert? Warum hat sie sich 1911 für eine Rückkehr nach Deutschland entschieden? Sicher ist, dass sie sich ihrer ursprünglichen Heimat eng verbunden fühlte. Jedenfalls hat sie zusammen mit ihrem Bruder Carl Hermann Jäger mehrfach der Stadt Ettenheim große Summen vermacht. Die Liste der Empfänger ist lang: Spital, Krankenhaus, Realgymnasium, Volksschule, Katholische Pfarrgemeinde (Glocke und Orgel nach dem 1.Weltkrieg), Schwimmbad und eine Schenkung an die Stadt (Grundstücke am Blumenberg). Sigmar Schuler (geschrieben Nov.2020)
Quellen:
Kottenhoff, Michael: Ettenheim und Weltgeschichte(n) Der Beitrag der Familien Jaeger und Weiß aus Ettenheim zur Industrie- und Geistesgeschichte der 19. Und 20.Jahrhunderts Leipzig, Antonym 2003