Nein: vom Eintreiben von Zöllen habe ich in all den 8 1/2 Jahren zwischen 1959 und 1967 rein gar nichts mitbekommen. Nachmittag für Nachmittag fuhr ich mit meinem Fahrrad zu meinem Schulkameraden Bernhard Ohnemus, der mit mir das Städtische Gymnasium besuchte und ... just eben im „Zollhaus“ draußen an der B 3 wohnte. Ja, der irgendwo im Hausinnern eingearbeitete und sichtbare Türsturz mit den Jahreszahlen 1612, 1792 und 1841, den nahm ich wahr – und zugleich auch nicht. Was interessieren einen 10-, 15-, selbst 18-Jährigen solche steinernen Hinweise auf eine längst vergangene Zeit? Von „anno Dubak“, wie man in Ettenheim zu sagen pflegt(e). Heute weiß ich, mit Bernhards Hilfestellung: 1612 wurde wohl das ursprüngliche Zollhaus erbaut, 1841 sein Nachfolger, das auch noch Zollhaus heißt. Ein „Trost“ für den jugendlich-geschichtlich Unsensiblen, dass das „Zollhaus“, in dem mein Schulkamerad wohnte, damals wie heute – erwiesenermaßen – gar nicht mehr das „tatsächliche“ Zollhaus war? Dieses stand, Heimathistoriker haben es erforscht, nämlich ursprünglich östlich der (heutigen) B3. Das heutige „Zollhaus“ wurde erst 1841 erbaut und fungierte nur noch als Poststelle. Zuvor aber waren in diesem Bereich Zölle als „Pflastergeld“ fällig: für Kutschen, Fuhrwerke, Kühe, Ziegen, Schafe und Schweine – zwischen einem halben und vier Kreuzern, die an den Pächter des Zollhauses zu zahlen waren. Geld, von dem aber letztendlich die Ettenheimer Stadtkasse profitierte. 1832 soll solches, wie der Ettenheimer Heimathistoriker Ferdinand Weiß berichtet, ein Ende gehabt haben. Interessant auch, dass die Häuser, die heute „Am Zollhaus“ ihre postalische Anschrift haben, früher der „Rheinstraße“ zugeordnet waren. Schulkamerad Bernhard Ohnemus weiß es noch genau: Rheinstraße 9 – anfangs noch mit dem Zusatz: Post Orschweier. Eine spätere Postanschrift „Bundesstraße 3“ wurde dann zum Problem, als 1975 Altdorf von Ettenheim eingemeindet wurde, wo es diese Postanschrift ebenfalls gab. Heute – Google-Maps macht es deutlich – tragen sie die Anschrift „Am Zollhaus“, die wenigen Häuser entlang der B 3 zwischen Ettenbach und dem Abzweig in den Stammbach, bei der Gärtnerei Jäger. Ein „echtes“ Zollhaus gibt es inzwischen weit und breit keines mehr. Das letzte, an das sich die heute nicht mehr ganz so Jungen noch erinnern, war noch draußen am Rhein in Aktion. Kam man per Fähre mit ein paar Fläschchen französischem Wein oder den begehrten Zigaretten aus dem Nachbarland über die Fähre zurück ins Heimatland, hatte man artig seinen Zoll zu entrichten. Auf derlei Einnahmen von draußen, am Zollhaus, zu verzichten, beschloss übrigens der Ettenheimer Stadtrat 1832 – unter anderem auch „zur möglichen Beförderung des Verkehrs mit andern Orten und zur Emporbringung des hiesigen Wochenmarktes“. Damit wurde schon vorzeitig umgesetzt, was 16 Jahre später die Revolutionäre von 1848 forderten: die Abschaffung innerdeutscher Zollschranken. Die Ettenheimer – sie waren wohl (auch) damals schon ihrer Zeit etwas voraus. Klaus Schade, Jahrgang 1948
Quellen:
Dr. Rudolf Ritter: Das Zollhaus an der Bundesstraße 3 bei Ettenheim (Geroldsecker Land, Heft 35/1993 S. 167 f) Dr. Johann Baptist Ferdinand: Zollhaus und Postwesen in Ettenheim (Die Ortenau 44/1964 S. 41ff.) Bernhard Ohnemus – Erinnerungen an sein Elternhaus, November 2020 (in einer E-Mail an den Verfasser des Textes)