Am Viehmarktplatz - Weideauftrieb 1941 (Stadtarchiv Ettenheim, Historische Datenbank Ettenheim)
Früher nannte man Ettenheim gerne ein "Bauernstädtchen". Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts war die Stadt stark landwirtschaftlich geprägt. Im Jahr 1925 zählte die Landwirtschaft in der Kernstadt 646 Betriebe, darunter 127 Betriebe mit Flächen zwischen zwei und zehn Hektar, sowie zwei Großbetriebe mit Flächen zwischen zehn bis fünfzig Hektar. Die Landwirte hielten 1930 insgesamt 727 Rinder (davon 394 Milchkühe), 748 Schweine, 80 Pferde, zwei Schafe, 297 Ziegen, 4.663 Stück Federvieh und 48 Bienenvölker.
Technisierung und Industrialisierung mit Abwanderung von Arbeitskräften, ein zahlenmäßiger Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe mit gleichzeitiger Flächenvergrößerung führten zu einem tiefgreifenden Strukturwandel des ländlichen Raumes. Viele Ettenheimer haben sich lange Zeit weiterhin im Nebenerwerb als Landwirte betätigt, vor allem im Ackerbau (Getreide/Mais), im Anbau von Reben mit genossenschaftlicher Traubenvermarktung, sowie im zunehmend bedeutungslos werdenden Tabakanbau. Aber auch ihre Anzahl wurde und wird immer geringer. Vollständig zum Erliegen kam in Ettenheim die Viehhaltung und Viehzucht, sowohl bei der Rindviehhaltung als besonders auch bei der Schweinehaltung.
Eine Erinnerung an diese vergangenen Zeiten dörflich-bäuerlichen Lebens ist der Ettenheimer Viehmarktplatz.
Damals war dieser Platz, einst am Rande der Stadt, von großer Bedeutung. Hierher wurden die Rinder, Pferde und Sauen aus den zahlreichen Bauernbetrieben zusammengetrieben. Hier wurden die Tiere von den Bauern in Augenschein genommen, begutachtet und bewertet. Die Qualität der hier vorgestellten Tiere war gleichzeitig ein Gradmesser für die Güte des entsprechenden Bauernbetriebes - da wurden Bauern wegen ihrer Leistungen bewundert oder abschätzig mit Mitleid abgestraft. Tierschauen und Auktionen waren so wichtig, dass sogar Landrat, Weidereferent und Tierzuchtamtsleiter des Kreises in die Stadt kamen und die Tiere begutachteten. Von diesem Platz aus wurden die Tiere Anfang des Frühsommers auf die Viehweide getrieben, wo sie dann fünf bis sechs Monate lang blieben. Die Gewichtszunahme betrug während dieser Zeit im Schnitt 73 Kilogramm pro Rind.
Die Stadt Ettenheim besaß am Kahlenberg eine Weidefläche von 22 Hektar, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts als "Jungviehweide", vorwiegend für Rinder, in geringerer Anzahl für Fohlen benutzt wurde. Vor dem Weideauftrieb zur Jungviehweide wurden die Tiere auf dem Viehmarktplatz beim Gewerbekanal registriert und vom Tierarzt begutachtet. Bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts war der Auftrieb der Jungtiere auf die Weide und Monate später der Abtrieb ein romantisches bäuerliches Fest: Die Tiere mit Blumen und Bändern geschmückt, das Leittier mit Kuhglocke der Herde voraus… die Bauern im Anschluss an den Auftrieb und Abtrieb vom Landkreis jeweils zu einem Essen und einem Viertele Wein eingeladen, wobei man sich vorausschauend besprach oder das Weideergebnis diskutierte.
Quellen:
Furtwängler, Robert: Früher war es ein "Bauernstädtchen". Badische Zeitung 28.1.1998 Pflaum, Karl: Jungviehweiden. Geroldsecker Land, 6 (1963/64), 38-41 Pflaum, Karl: Landwirtschaft im Wandel der Zeit. Ettenheimer Heimatbote 25 - Jubiläumsausgabe, August 1974